Manga 漫画
„Manga sind keine Kunst, sie sind ein Produkt."
ICHIGUCHI Keiko, Manga-Autor und Illustrator
Kunst oder Produkt? Was wäre wenn sich Theodor Fontane auf ihrem T-Shirt abgedruckt finden würde, so wie Son Goku der Held von Dragon Ball auf ihrer Unterhose? Was sind Manga? Eine Kultur? Ein Abbild Japans? Eine „soft power“-Waffe? Diese „spöttischen Zeichnung“, wie es die Etymologie enthüllt treten in allen verschiedenen Gattungen und Formen auf. In Japan scheint die Begeisterung für Manga schier unendlich!
In Akihabara, dem Elektronik- und Mangaviertel Tokios, quellen die Gassen und Straßen über vor Geschäften voller Figuren und gebrauchter Bücher. Naruto, Ruffy, Ichigo, Natsu und andere Charaktere im Stile einer Generation von Ikonen stehen im Mittelpunkt Akihabaras. Selbst auf dem Dach eines riesigen Gebäudes auf einer riesigen Leinwand thronen die Manga über der Stadt auf dem Internationalen Mangamuseum in Kyoto, aber auch in jeder Bibliothek und jedem Buchladen in Europa findet man sie - es scheint als wären Manga bereits allgegenwärtig. Von goodies bis hin zu bedrucktem Toilettenpapier, von DVD's über Kondome, Games, Kuscheltiere - überall hin hat sich der charakteristische Mangastil verbereitet, dabei ist er so minimalistisch.
1984 zeigte das Weekly Shonen Jump, das führende Magazin für Neuerscheinungen, jede Woche ein neues Kapitel einer zusammenhängenden Mangageschichte und veröffentlichte so auch die ersten Seiten von Dragon Ball. Es dauerte nicht lange bis diese Shonen, Mangas für Jungs wohlgemerkt und nicht zu verwechseln mit Shojo für Mädchen und Seinen für die Erwachsenen, den Umsatz kräftig steigern konnten und sich in der ganzen Welt verbreiteten, als Alben des tankōbon. Als 1995 die Veröffentlichungen von Dragon Ball enden, überfluteten andere, kleinere japanische Comics den westlichen Markt, wie der Klassiker Astroboy vom berühmten Illustrator TEZUKA Osamu (1928-1989), dem „Gott der Manga“, der sogar ein eigenes Museum hat in Takarazuka unweit von Osaka. Es folgten dutzende weitere Veröffentlichungen von Manga, die manchen von außen vielleicht zunächst glauben lassen, dass Manga nur auf einen bestimmten Themenbereich reduziert wären. In Wahrheit aber sind sie mittlerweile so vielfältig wie nie zuvor!
Von Nara nach Akihabara
Wie die amerikanischen Comics oder die französisch-belgischen Bande dessinée, sind die Manga teils älteren, teils neueren Ursprungs. Ihre ältesten Verwandten, die emaki gab es bereits seit dem 8. Jahrhundert in Nara, wo Krieger oder Liebesgeschichten, religiöse Texte und Neuigkeiten auf illustrierten Schriftrollen abgebildet waren. Im 19. Jahrhundert veröffentlichte der Maler HOKUSAI Katshushika (1760-1849) mehrere Jahre Hokusai manga, Bücher mit „spielerischen Bildern“, die unabhängig voneinander stehende Skizzen zu den verschiedensten Themen enthielten, wobei die Motive einfache Szenen aus dem Alltag zeigten und die Bilder damit "spielerisch" (ohne ernsthaftes Thema) waren. Der Begriff Manga war damit geboren, doch die Geschichten, Plotlines und alles weitere ließen noch etwas auf sich warten.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und in den folgenden sieben Jahren unter US-Besatzung, näherten sich die Manga langsam dem an, was wir heute darunter verstehen. Innovationen im Grafik-Design und Marketing führten dazu, dass die Manga immer beliebter wurden. Zwischen post-apokalyptischen Visionen, Menschen in Gefahr und dem Trauma der Atombombe, wie es unumwunden in Menschen von Hiroshima dargestellt wird, sind Manga nun die Kunst die Geschichte des Landes, aus dem sie stammen, darzustellen.
„Ein Buch, welches angibt, umfassend über Manga zu berichten, wäre ein Buch ohne Ende.“
Jean-Marie Bouissou, Manga, Geschichte und Welt der japanischen Comics.
Historische Manga, post-apokalyptische Science-Fiction Manga oder lustige Manga ... die ursprünglichen Formen haben sich in alle Genres ausgebreitet. Heutzutage werden die Mitglieder dieser Familie grob zusammengesetzt aus Manga über die Gesellschaft, Manga über Krieg & Historie, Manga für Kinder, pornographische Manga, Manga von Schriftstellern etc. Die Mangas haben inzwischen so viele Stile wie Zeichner, so dass sie schwer zu definieren sind. Es ist die Vielfalt und Komplexität der Handlungen, die ihren Lesern dieses besondere Gefühl gibt, das Medium immer und immer wieder neu für sich zu entdecken.
Die Lesensart
In der Ecke eines Konbini, einem rund um die Uhr geöffneten japanischen Supermarkt, stehend, in der U-Bahn oder bei sich zu Hause mit einem tankōbon in der Hand - es stellt sich die Frage, ob der Mangaleser wirklich liest? Ein Manga verschlingt man, öffnet es und entschlüsselt es, blättert unbeschwert, aber auch gierig, um nicht das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Didaktisch betrachtet befassen sich Manga meist mit aktuellen Themen. In Death Note versucht ein nach Gerechtigkeit strebender Teenager alle Verbrecher zu töten. Oder sie stellen sich gar als Manga in einem Manga dar, so wie in Bakuman, wo sich Generationen von Jugendlichen über die gleichen Kämpfe in der Pause unterhalten. Oder dem legendären Ruffy, einem Helden des nicht minder epischen One Piece, dass uns seit 1997 durch seine imaginäre Welt mit der Geschwindigkeit eines Kapitels pro Woche führt. Im Laufe der Zeit wurden auch die Werke von TANIGUCHI Jirô wie Fernes Viertel oder Furari immer beliebter. Auch wenn die Charaktere klischeehaft sind und die Handlung meist simpel oder das ein oder andere Kapitel mal enttäuschend, haben sich die Manga als Kunstform verewigt. Als ein Spiegelbild Japans, bewegen sie sich fort von der Insel und näheren sich ihr auch wieder zur selben Zeit. Japan bleibt somit der zweitgrößte Exporteur von Kulturgütern nach den Vereinigten Staaten, allein durch diese kleinen Taschenbücher.
Bilder: TEZUKA Osamu, Astroboy.
Toriyama Akira, Dragonball.
Katsuhiro Otomo, Akira.
Takahashi Rumiko, Maison Ikkoku.
Takamori Asao und CHIBA Tetsuya, Ashita keine Joe.
Takeuchi Naoko, Sailor Moon.
ADACHI Mitsuru, Jahreszeit des Albums.