Auf den Fuji - bis zur 5. Station 富士山
Hoch über der schwebenden Welt
Der sehr authentische aber weniger begangene Weg von Fuji-Yoshida aus hält für den Wanderer einige Überraschungen bereit, die ihm einen unvergesslichen Aufstieg von der ersten bis zur 5. Station garantieren.
Der Yoshidaguchi (Weg Yoshida), eine uralte Pilgerroute, die zur 5.Station des Fuji (von den Japanern "Fujisan" genannt: Berg Fuji) hinauf führt, beginnt unweit des Shinto-SchreinesSengen-jinja. Dieses sich an den Waldrand schmiegende Heiligtum diente den Pilgern einst als Sammelpunkt und hat sich bis zumheutigen Tag eine ganz besondere Aura bewahrt. Denn es ist das letzte Gebäudean der Schwelle zum heiligen Berg. Der meist unebene, sich durch die Landschaftschlängelnde Yoshidaguchi wird jedem Wanderfreund Vergnügen bereiten.
Von derTageswanderung bis zum einfachen Spaziergang ist alles möglich
VomSchrein Sengen-jinja aus braucht man etwa sechs Stunden bis zur 5. Station, dieder übliche Ausgangspunkt zur Gipfelersteigung ist. Sehr erfahrene Bergsteigerbewältigen den gesamten Aufstieg an einem Tag. Sie beginnen die Wanderung amfrühen Nachmittag, ruhen sich dann zwischen 18.00 und 23.00 Uhr in einerSchutzhütte aus, bevor sie sich der Touristenschar anschließen, die mit dem Busbis zur 5. Station gefahren sind und den ehrwürdigen Berg von hier aus umMitternacht erklimmen. Aber keine Angst, liebe Sonntagswanderer! Der Weg eignetsich auch für kürzere Spaziergängeohne unbedingt den Gipfel zuerreichen oder auch nur die 5. Station. Man kann ihn ganzjährig begehen, weildie unteren Hänge des Fuji bewaldet sind und daher vom Dauerfrost verschont bleiben.Auf geht’s! Greifen Sie zu Wasserflasche und Wollpullover! Der Aufstieg wirdlang und die Temperaturen sinken mit der steigender Höhe.
Beim Erklimmen
Des Heiligen Berges
Begleiten uns
Ideogramme,
Von Zweigen
Auf die Himmelsseide gezeichnet.
Michel Butor in Le Japon depuis la France, un rêve à l’ancre [freie Übers.]
Nichtsist leicht und von vornherein gewonnen auf dem Weg Yoshida. Bevor man zumersten Mal die Silhouette eines Gebäudes erblickt, des Teehauses Nakanochaya,hat man bereits eine gute Stunde Wanderung in den Beinen. Dieses Restaurant istder letzte Versorgungspunkt vor der 5. Station. Man kann hier noch einmalKräfte tanken, sollte aber wissen, dass ein zu langer und nahrreicherZwischenstopp den anschließenden Aufstieg zusätzlich belastet! So schwer es fürUntrainierte manchmal sein mag durchzuhalten, die Landschaft entschädigt unsfür die Strapazen. Wild und geheimnisvoll entfaltet der Wald seine ganzeSchönheit. Es gibt eine Menge Geschichten über ihn, die man besser nichtglauben sollte. Der Fujisan, wie man ihn ehrfurchtsvoll nennt, bleibt einer derwenigen immer noch ungezähmten Orte des Archipels, die nach wie vor allerhandFantastereien hervorbringen. Freilebenden Affen zu begegnen, könnte eine davonsein. Aber leider sind die einzigen Primaten, auf die wir nach dreistündigerWanderung treffen, in Stein gemeißelt. Sie gehören zu einem torii (Eingangsportalzu einer heiligen Anlage), das den Platz abgrenzt, an dem die Pilger einst ihrePferde zurück ließen. Hat man diesen Bereich überschritten, verlässt man dasReich des Zeitlichen und betritt das Reichdes Spirituellen.
Die Kronedes religiösen Synkretismus
Nachdreieinhalb Stunden Wanderung, trifft man auf die erste Station. Hier bedarf eseiner Präzisierung, denn diese Bezeichnung hat schon viele Enttäuschte in dieIrre geführt. Es handelt sich sehr wohl um eine alte Station, die aber heutegeschlossen ist. Ebenso wie die vierfolgenden, die zum Teil nur noch Ruinen sind. Man kann also weder seine Wasserflasche nachfüllen, noch wirdman herzlich empfangen. Es sind nur noch symbolische Punkte, die den Aufstieggliedern und den Wanderer zu einem Päuschen einladen. Zwischen der zweiten undder dritten Station führt der Weg durch das Nyonin Tenjô, das nachdem Beispiel des Nyonindo bei Koyasan der heilige Bereich der Frauen war. Der Zutritt zum oberenBereich des Fuji war ihnen verboten, bis im Jahr 1832 eine exzentrischeEngländerin dieses Verbot übertrat und damit auch den Japanerinnen den Weg zumGipfel öffnete. Hat man den kleinen Altar hinter sich gelassen, an dem dieFrauen dem Berg huldigten, ist die 5. Station nur noch eine Wegstunde entfernt.Am Wegesrand stehen Opfergaben für die Shintô-Götter friedlich neben Buddhastatuen und legenanschaulich darüber Zeugnis ab, wie die Japaner es verstehen, beide Religionenunter einem starken Symbol zusammenzuführen, dem des personifizierten HeiligenBerges, dessen Zorn alle fürchten.
Einaufregendes Abenteuer
Natürlichsollte man sich bewusst sein, dass dieser Vulkan immer noch aktiv ist undtheoretisch jederzeit ausbrechen kann. Man könnte meinen, die Atmosphäre seidavon aufgeladen, denn mitunter mischt sich eine ungute Vorahnung in die Ruhe.Das ist weitgehend ungerechtfertigt, weil es umfangreiche Sicherheitsmaßnahmenund einen Rettungsdienst an der 7. Station gibt. Dennoch sollte man nie vom Wegabweichen. Wer es tut, macht es auf eigene Verantwortung. Wanderer, die diesesRisiko eingegangen waren und sich verirrt hatten, erzählten später, dass nurein paar aufgescheuchte Hirschkühe auf ihre verzweifelten Hilferufe antworteten.
“Wer den Fuji einmal bestiegen hat, ist ein Weiser. Wer eszweimal tat, ist ein Verrückter.”
Volksweisheit
Die 5. Station kündigt sich durch einen ganzenKomplex kleiner Altäre an. Hier endet der Yoshida-Weg. Ein Stück weiter obenempfangen die ersten Schutzhütten die einerseits erschöpften und durstigen,andererseits vom Eintauchen ins Herz der Natur und der japanischenSpiritualität tief befriedigten Wanderer. Nach einigen Stunden Pause setzen dieKühnsten den Aufstieg auf dem normalen Weg fort, der am Hang rechts vom Yoshidaguchi beginnt. Sie schicken sich an, die rote Morgensonne über denzerklüfteten Gipfeln des Fuji zu bewundern. Auf dem Gipfel - der Sonnenaufgang und ein Gefühl derErleichterung, denn wer immer die Gelegenheit genutzt hat, um in sich zu gehen,wird dabei viel gewonnen haben. Für mehr als einen Pilgerreisenden ist dieErsteigung des Fuji zwar mit dem Wunsch verbunden, die Sonne über dessen Gipfelaufgehen zu sehen, vor allem aber ist es eine persönliche Herausforderung, dersich viele nur einmal im Leben stellen. Hat man sich dazu entschlossen, geht esgar nicht mehr so sehr um den Sonnenaufgang, denn man weiß ja: Der Weg ist dasZiel.
Praktische Informationen:
Es gibt die Möglichkeit sein Gepäck am Bahnhof Kawaguchi-ko zu lassen. In den Bahnhöfen Kawaguchi-ko und Fuji-Yoshida kann man alle für den Aufstieg nötigen Ausrüstungsgegenstände erwerben, insbesondere Taschenlampen.
Die Wandersaison erstreckt sich von Juli bis Mitte September, wobei gegen Ende dieses Zeitraumes bereits ungünstige Wetterverhältnisse den Aufstieg verhindern könnten.
Der untere, bewaldete Teil des Weges Yoshida ist ganzjährig begehbar. Allerdings sollte man nicht zu weit gehen, denn Schutzhütten und Rettungsdienste sind außerhalb der Saison geschlossen.
An den Bahnhöfen bekommt man sehr hilfreiche Broschüren in Englisch und manchmal Französisch mit Hinweisen zur genauen Wegführung.
Wichtig: der Fuji steht unter Naturschutz und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Respektieren Sie seinen heiligen Charakter und halten Sie ihn sauber.